Positionen und Forderungen der KV Berlin zur Bundestagswahl 2025
Die Herausforderungen nehmen zu
Mit einem großen Knall ist das Jahr 2024 zu Ende gegangen, die Ampelregierung ist gescheitert. Nun werden die Karten neu gemischt. Auf die zukünftige Regierung warten einige Herausforderungen, die das Gesundheitssystem schon jetzt vor Probleme stellen. In allen gesellschaftlichen Bereichen stehen viele Aufgaben auf der Agenda. In der Gesundheitspolitik stehen mit der geplanten Notfallreform, der Digitalisierung und der Ambulantisierung einige wegweisende Vorhaben an.
Mit Blick auf die Neuwahlen am 23. Februar möchte die KV Berlin auf ihre zentralen Forderungen hinweisen, deren Umsetzung es für eine Sicherstellung der ambulanten Strukturen braucht.
Die Forderungen der KV Berlin
Entbudgetierung – auch bei Fachärzt:innen
Erfreulich für die Ärzteschaft ist die kürzlich erfolgte Einigung der Ampelparteien, die Entbudgetierung nun doch noch vor Ende der Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. Diese Maßnahme ist seit langem überfällig und wurde nicht nur von der KV Berlin immer wieder gefordert. Es bleibt abzuwarten, in welcher Form sie kommt – und inwieweit Praxen überhaupt davon profitieren können. Der nächste Schritt muss dann die Entbudgetierung der Fachärzt:innen sein. Abschläge von bis zu 20 Prozent sind nicht hinnehmbar – vor allem angesichts steigender Personalkosten und höherer Mieten. Auch Fachärzt:innen müssen endlich eine leistungsgerechte Bezahlung erhalten!
Eine echte Patientensteuerung
Die Versorgung braucht eine intelligente Patientensteuerung – auf allen Ebenen. Eine ungesteuerte Versorgung ist nicht leistbar, weder personell noch finanziell. Eine Koordination durch Hausärzt:innen (oder grundversorgende Fachärzt:innen) kann hier eine Lösung sein, entsprechend auch unterschiedliche Tarife mit/ohne Koordinationspflicht. Mehr Leistungen erfordern mehr Ressourcen! Den Menschen muss klargemacht werden, dass es keine Flatrate-Mentalität geben kann. Bei zukünftigen Integrierten Notfallzentren (INZ) fordert die KV Berlin eine Dichte von einem INZ auf 400.000 Menschen und eine kostendeckende Finanzierung.
Finanzierbarkeit
Die Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung müssen stabilisiert werden. Der Gesundheitsfonds darf nicht für versicherungsfremde Leistungen herhalten – wie zum Beispiel beim Transformationsfonds. Statt Versicherungsbeiträge zu missbrauchen, müssen die Mittel aus Steuergeldern bezogen werden. Auch der Beitragssatz von Bürgergeldempfängern muss angepasst und denen der Arbeitnehmer angeglichen werden, damit das Milliardenloch im Gesundheitssystem nicht noch größer wird.
Wertschätzung gegenüber der ambulanten Arbeit
Die KV Berlin fordert eine Unterstützung der Niederlassungsförderung anstelle einer unreflektierten Öffnung von Krankenhäusern für die ambulante Versorgung. Die ambulante Versorgung muss mitgedacht und stärker in den Fokus genommen werden – es darf keine Bevorteilung der Krankenhäuser geben. Die Zukunftsfähigkeit von arztgeführten Praxen muss sichergestellt werden, gewinnorientierte Kapitalgesellschaften als Praxisinhaber:innen gilt es zu verhindern.
Gesundheitskompetenz stärken
Die KV Berlin spricht sich klar dafür aus, die Bevölkerung zu sensibilisieren und den Menschen aufzuzeigen, welchen Wert die medizinische Versorgung hat. Es dürfen keine falschen Versprechungen zu 24/7-Behandlungen gemacht werden, die nicht umsetzbar sind.
Entbürokratisierung
Damit mehr Zeit für Patient:innen bleibt, muss ein Bürokratieabbau erfolgen. Im Rahmen der Digitalisierung sollten erst ausgereifte Technologien in den Praxen zum Einsatz kommen. Die Technik muss funktionstüchtig sein und finanziert werden. Außerdem müssen Bedingungen geschaffen werden, nichtärztliches Assistenzpersonal unbürokratisch in das bestehende System zu übernehmen und deren Leistungsbefugnisse weiter auszubauen – ausreichend finanziert.
Das sagen die Parteien zur Gesundheitspolitik
Bitte beachten Sie: Die Auswahl der betrachteten Wahlprogramme erfolgte nach den gewählten Parteien der letzten Bundestagswahl 2021 plus das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Im Folgenden werden nur ausgewählte Schwerpunktthemen (alphabetisch sortiert) aufgeführt. Ist eine Partei bei einem Schwerpunktthema nicht erwähnt, so hat sie sich zu diesem Thema im Wahlprgramm nicht explizit geäußert. Einen umfassenderen Überblick zu den gesundheitspolitischen Inhalten der Parteien finden Sie auf der Themenseite der KV Berlin zur Bundestagswahl.
Die KV Berlin konzentriert sich in dieser Zusammenstellung auf Themen der sektorenübergreifenden, medizinischen Versorgung. Der Schwerpunkt Pflege wird im Folgenden ausgeklammert. Alle Parteien äußern sich in ihren Programmen ausführlich zum Thema Pflege. Beispielsweise im Bereich Häusliche Pflege, Arbeitsbedingungen/Fachkräfte sowie Finanzierung.
Ambulante Versorgung
Beim Thema ambulante Versorgung setzen die Parteien unterschiedliche Schwerpunkte – alle streben dabei eine gute, schnelle und flächendeckende Patientenversorgung an. CDU/CSU, Grüne, FDP und BSW wollen beispielsweise ein Primärarztsystem, in dem der Haus- oder Kinderarzt die erste Anlaufstelle mit Steuerfunktion ist. Die Linke setzt auf kommunale Versorgungszentren als zentrale Anlaufstelle.
Durch diese Steuerungsfunktion will die CDU/CSU für eine schnellere Terminvergabe sorgen. Die SPD fordert zu diesem Zweck eine Termingarantie der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die Grünen wollen für eine schnellere Terminvergabe den Sprechstundenanteil für gesetzlich Versicherte erhöhen. Die Linke will andere Gesundheitsberufe einbeziehen. Diese sollen stärker eigenverantwortlich behandeln und versorgen können.
Ländliche und strukturschwache Regionen sollen gestärkt werden. SPD und Grüne wollen hierfür Gemeindeschwestern bzw. Gemeindegesundheitspfleger:innen einführen. Zusätzlich wollen die Grünen die Verteilung von Niedergelassenen enger mit der Krankenhausplanung der Länder verknüpfen. Die AfD möchte die Niederlassung im ländlichen Raum durch Niederlassungshilfen fördern.
Die von den Ampelparteien beschlossene Entbudgetierung wird in den Wahlprogrammen von SPD, FDP und AfD explizit genannt.
Apotheken/Arzneimittel
SPD, CDU/CSU, FDP und AfD sprechen sich für die verstärkte Produktion in Deutschland aus. Um Engpässe zu vermeiden setzen SPD, CDU/CSU, Grüne und AfD zudem auf eine bessere Bevorratung. SPD, CDU/CSU, FDP sowie AfD benennen außerdem die Stärkung der Apotheken vor Ort als Ziel. Die AfD spricht sich zusätzlich gegen den Versandhandel von rezeptpflichtigen Medikamenten aus. Um Arzneimittelpreise zu regulieren, will die Linke den Einfluss der Pharmakonzerne eindämmen. Zudem soll es eine öffentliche Kontrolle über die Arzneimittelforschung geben.
Fachkräfte(mangel)
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, finden sich in den Wahlprogrammen der Parteien unterschiedliche Lösungsvorschläge. Die SPD will die Arbeitsbedingungen in den Gesundheitsberufen verbessern, ordentliche Tarifverträge, eine bedarfsgerechte Personalausstattung sowie eine Erweiterung der Befugnisse von Pflegefachpersonen. Zudem soll die weltweite Anwerbung von Fachkräften verstärkt sowie die Attraktivität und die Ausbildungsqualität in den Gesundheitsberufen gestärkt werden.
Die Linke setzt ebenfalls auf bessere Arbeitsbedingungen, Personalbemessung und Entlastungstarife. Außerdem spricht sie sich für eine Rückanwerbung von Fachkräften aus. Außerdem soll es eine Ausbildungsoffensive geben. Eine Privatisierung lehnt die Linke ab.
Die Grünen wollen die Kompetenzen und Befugnisse anderer Gesundheitsberufe erweitern.
Das BSW möchte mehr Studien- und Ausbildungsplätze im Bereich Medizin/Psychotherapie schaffen. Außerdem sollen Gesundheitsberufe besser bezahlt werden.
Die AfD will ebenfalls die Anzahl der Studienplätze erweitern – vorrangig sollen Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit ausgebildet werden. Die Partei fordert eine bundeseinheitliche Personalbemessung. Zudem sollen Fachkräfte ein Sprachniveau von C1 haben.
Finanzierung
Ungleichheiten zwischen gesetzlich und privat Versicherten wollen SPD, Linke, Grüne sowie BSW beseitigen und das 2-Klassen-System beenden. Hierfür soll es eine Bürgerversicherung – bzw. eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung (Linke) – geben. FDP und CDU/CSU wollen hingegen beim dualen System bleiben. Die SPD will außerdem, dass private Krankenversicherungen zum Risikostrukturausgleich beitragen. Indes fordert das BSW eine Abschaffung der Zusatzbeiträge. Grüne und Linke wollen Beiträge auf Kapitalerträge und andere Einkommen erheben.
Das Wahlrecht bezüglich der Krankenversicherung soll laut SPD und Grünen (hier insbesondere bei Beamt:innen) sowie FDP gestärkt werden. Das BSW spricht sich bei einem Anbieterwechsel für eine Übertragung der Altersrückstellungen (sog. Portabilität) aus.
Die Beitragsbemessungsgrenze soll laut den Grünen reformiert werden. Die Linke will diese komplett abschaffen. Die SPD spricht sich für eine stärkere Orientierung der Beiträge an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten aus.
Bezüglich der Verwendung der Beitragsgelder fordert die CDU/CSU mehr Effizienz. SPD, Grüne, AfD und BSW streben an, versicherungsfremde Leistungen durch Steuermittel zu finanzieren. Die FDP regt an, GKV-Leistungen nach ihrem Nutzen zu prüfen und nicht bewährte Leistungen zu streichen.
Integrierte Versorgung
Das Thema integrierte Versorgung findet sich nahezu in allen Wahlprogrammen der Parteien.
Die SPD spricht sich für regionale Versorgungsnetze aus und will die Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe stärken – Telemedizin und Telepharmazie sollen hierbei unterstützen.
Die CDU/CSU will die stationäre Versorgung mit der ambulanten zusammen denken.
Keine Trennung der Finanzierungssysteme ambulanter und stationärer Versorgung fordern die Grünen. Zudem sollen regionale Verbünde und gemeinsame Versorgungszentren für eine gute Versorgung sorgen.
Die FDP will die Vernetzung aller Versorgungsbereiche weiterentwickeln, die Linke die sektorenübergreifende Behandlung ausreichend finanzieren.
Auch das BSW spricht sich für eine stärkere Verzahnung der Sektoren aus. Es wird angestrebt, integrative Versorgungskonzepte umzusetzen – der G-BA soll dabei als Prüf- und Aufsichtsorgan fungieren.
Krankenhäuser
Die SPD baut auf die umgesetzte Krankenhausreform.
Die CDU/CSU will Korrekturen an dieser vornehmen – Grundgedanke der Partei ist dabei eine hochwertige Versorgung in Stadt und Land. Die Planungshoheit der Länder soll unberührt bleiben.
Auch die Grünen wollen die Krankenhausreform nachbessern. Die Umsetzung soll zusammen mit den Ländern erfolgen. Neben den gesetzlichen sollen auch private Versicherungen dabei an den Kosten beteiligt werden.
Die Linke kritisiert die Krankenhausreform: diese bedrohe die Versorgung (nicht nur) auf dem Land. Die Linke fordert eine vollständige Finanzierung der notwendigen Betriebskosten der Krankenhäuser durch die Krankenkassen, die Fallpauschalen sollen vollständig abgeschafft werden. Zudem sollen Bund und Länder in die Krankenhäuser investieren – wenn Krankenhäuser ihre privaten Betreiber aufgeben wollen, sollen sie in die öffentliche Hand überführt werden.
Die AfD spricht sich ebenfalls für eine Abschaffung der Fallpauschalen und eine Rückkehr zu individuellen Budgetvereinbarungen aus. Eine Privatisierung von Akutkrankenhäusern soll es nicht geben.
Auch das BSW lehnt die Krankenhausreform ab. Krankenhäuser sollen erhalten und besser integriert werden. Geburtskliniken und Hebammen-geführte Kreißsäle sollen wohnortnah zur Verfügung stehen.
Die FPD will spezialisierte, bessere Angebote und Ärzt:innen sowie Pflegekräfte entlasten. Die Kostenentwicklung soll gebremst werden.
Notfallversorgung
SPD und CDU/CSU wollen die Notfallversorgung und den Rettungsdienst stärken – die SPD nennt hierbei eine bedarfsgerechte Steuerung. Grüne und FDP fordern eine Notfallreform.
Psychische Gesundheit
Die SPD will die Prävention psychischer Erkrankungen stärken. Auch das Thema Einsamkeit soll in diesem Kontext Berücksichtigung finden. Vor allem für junge Menschen sollen niedrigschwellige Angebote geschaffen werden. Therapieplätze sollen zügig verfügbar sein – eine Psychotherapie darf nicht zum Nachteil im Berufsleben werden.
Auch die CDU/CSU will explizit für Kinder und Jugendliche das Angebot verbessern. Außerdem will die Union ein umfassendes Suizidpräventionsgesetz beschließen.
Die FDP spricht sich ebenfalls für die Suizidprävention aus – diese soll ausgebaut werden. Die Partei setzt zudem auf Entstigmatisierung. Die Wartezeit auf einen Therapieplatz soll verringert und das Kostenerstattungsverfahren bis dahin unbürokratischer gemacht und stärker standardisiert werden.
Auch die Grünen wollen niedrigschwelligen Zugang zu Angeboten schaffen – insbesondere für Kinder und Jugendliche. Die Ausbildung von Fachpersonal soll ausgebaut werden. Zudem soll es einen Bund-Länder-Pakt für mentale Gesundheit geben.
Wie die FDP, wollen auch die Linken das Kostenerstattungsverfahren vereinfachen, solange es einen Mangel an Therapieplätzen gibt. Die Partei sieht eine Reform der Bedarfsplanung vor. Zudem sollen die Ausbildungsbedingungen verbessert werden.
Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.