Reform der Notfallversorgung
Mit dem Beschluss des Bundeskabinetts zur Reform der Notfallversorgung könnte ein seit Jahren diskutiertes Vorhaben im Gesundheitswesen endlich Realität werden. Doch noch stellen sich bei dem „Gesetz zur Reform der Notfallversorgung“ aus dem Bundesgesundheitsministerium zahlreiche Fragen etwa zur verbindlichen Patientensteuerung, der personellen Ausstattung der vorgesehenen ärztlichen Leistungen und zu ihrer Finanzierung.
In dem vorliegenden Regierungsentwurf sind zahlreiche Veränderungen vorgesehen, die die Arbeit niedergelassener Ärzt:innen, der Kassenärztlichen Vereinigungen und damit auch die der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin stark beeinflussen werden. So ist bei den Leistungen der KVen geplant, dass akute Fälle künftig nicht mehr von den Terminservicestellen unter 116117 vermittelt werden, sondern von eigens eingerichteten Akutleitstellen, die Patient:innen unter dieser Nummer erreichen können. In den Akutleitstellen wird die Dringlichkeit eines Falles mithilfe eines standardisieren Ersteinschätzungsverfahren beurteilt, akut Erkrankte werden während der Sprechstundenzeiten in ambulante Praxen verwiesen.
Unter der Telefonnummer 116117 sollen für Akutfälle rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche, telemedizinische und aufsuchende Notdienste zur medizinischen Erstversorgung angeboten werden. „Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind ein sehr wichtiger Pfeiler in der Notfallversorgung und nehmen diese Aufgabe mit viel Engagement wahr“, sagt Dr. Burkhard Ruppert, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin. „Doch ambulant tätige Ärzt:innen können keine ungesteuerte Akut-Versorgung rund um die Uhr leisten, ohne dass die Regelversorgung darunter leidet. Das ist personell nicht machbar, was auch der Bundesregierung klar sein sollte. Der sich schon jetzt abzeichnende Fachkräftemangels im ärztlichen Bereich begrenzt Lauterbachs Pläne deshalb massiv.“
Nach dem Gesetz aus dem Bundesgesundheitsministerium ist auch geplant, dass in den Rettungsstellen von Krankenhäusern Integrierte Versorgungszentren (INZ) entstehen, an die sich Patient:innen zunächst wenden sollen. Die INZ sollen die Notaufnahmen mit den Notfallpraxen der KVen verbinden und zentrale Einschätzungsstelle erhalten. Vorgesehen ist, dass Notdienstpraxen in INZ gesetzlich festgeschriebene Mindestöffnungszeiten besonders abends und am Wochenende einhalten. „Solche Pläne sind aufgrund einer fehlenden verbindlichen Patientensteuerung und personellen wie organisatorischen Unklarheiten realitätsfern. Wir brauchen dringend Nachbesserungen am Gesetz“, betont Dr. Burkhard Ruppert.
Mit der Ausweitung der Notfallstrukturen entsteht nicht nur personeller, sondern auch finanzieller Mehrbedarf. Diesen sollen KVen und Gesetzliche Krankenversicherung paritätisch tragen. Zudem sollen bei der Errechnung des Mehrbedarfs Entgelte, die die KVen von den Ärzt:innen erheben, angerechnet werden. „Es ist inakzeptabel, dass die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte die Kosten für eine Struktur- und Leistungsausweitung tragen sollen. Zukunftsfähige Notdienststrukturen brauchen eine entbudgetierte Vergütung! Anderenfalls werden die derzeitigen Fehler im Versorgungssystem nicht behoben, sondern nur zu Lasten der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte verschärft!", führt Dr. Ruppert aus.