Gegen Streichung der Neupatientenregelung – große Resonanz in Berlin
Nahezu 2000 Berliner Praxen beteiligen sich am heutigen Aktionstag der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin, der um 10 Uhr mit einer Fortbildungsveranstaltung beginnt. Für diese Zeit haben die Praxen ihre Türen geschlossen. „Die große Resonanz der KV-Mitglieder zeigt uns, wie ernst die Lage in den Praxen ist“, begrüßte Christiane Wessel, Vorsitzende der Vertreterversammlung der KV Berlin, zuvor während eines Pressetermins in einer HNO-Praxis in Charlottenburg. „Zuletzt waren solche Aktionen zu Zeiten der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt notwendig, als es um Einschränkungen durch das Arzneimittelspargesetz ging. Dieses Mal geht es um das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und dessen massive Auswirkungen auf die ambulante Versorgung.“
Stein des Anstoßes ist die angekündigte Streichung der Neupatientenregelung. „Fällt diese Regelung, wird es zu einer ernstzunehmenden Bedrohung der ambulanten Versorgung der Berliner Bevölkerung kommen“, so KV-Vorstandsmitglied Bettina Gaber. Dabei hat sich die Neupatientenregelung als wichtiges Instrument bewährt. In den Praxen konnten seit 2019 viele Neupatienten zusätzlich behandelt werden, wie aktuelle Zahlen aus Berlin zeigen: Insgesamt gab es über alle Arztgruppen hinweg eine Steigerung der Fallzahlen um fünf Prozent. Besonders groß waren die Steigerungen bei den Kardiologen mit 15 Prozent und bei den Hausärzten mit 11 Prozent. „Die Streichung der extrabudgetären Neupatientenregelung wird dazu führen, dass die KV die Anzahl der Behandlungsfälle, die den Ärzten vergütet werden, reduzieren muss. Die Konsequenz für die Patienten sind längere Wartezeiten, weil in allen Arztpraxen, deren Budgets ausgeschöpft sind, eine Finanzierung für Neupatienten nicht mehr gewährleistet ist“, so Gaber.
„Dass der Gesetzgeber ausgerechnet bei den Praxen sparen will, erschließt sich uns nicht und stößt bei den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen auf absolutes Unverständnis“, so der KV-Vorstandsvorsitzende Burkhard Ruppert. „Mit dieser Entscheidung wird ein Teufelskreis angestoßen. Die ärztlichen Leistungen werden abnehmen. Es werden weniger Patienten versorgt. Die Wartelisten in den Praxen werden länger. Die Wartebereiche in den Notaufnahmen werden voller. Die Praxiseinnahmen werden weiter sinken. Die Praxisausgaben werden weiter steigen. Viele ältere Ärzte in der Niederlassung werden früher aufhören. Und viele jüngere Ärzte fangen dort gar nicht erst an. Ein Praxissterben ist vorprogrammiert.“
Warum sich Kerstin Zeise, Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, dazu entschlossen hat, am Aktionstag teilzunehmen, erklärte sie so: „Wir müssen der Politik scheinbar in Erinnerung rufen, welche Rolle die ambulante Versorgung spielt. Wir niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte stehen verlässlich für eine stabile und konstante ambulante Versorgung auch und gerade unter Pandemiebedingungen. Zur Sicherstellung einer zeitgerechten Versorgung von mehr Neu- und Akutpatienten haben wir 2019 fünf zusätzlichen Sprechstunden zugestimmt. Wir erwarten von der Politik, dass sie diese Steigerung würdigt und entsprechend vergütet.“
„Deshalb richtet die KV Berlin den dringenden Appell an die politischen Verantwortlichen: Gefährden Sie mit Ihrer Politik nicht die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung. Lassen Sie nicht zu, dass sich die sehr gute ambulante Versorgung massiv verschlechtert. Nehmen Sie nicht das Sterben von Praxen in Kauf“, so die VV-Vorsitzende Wessel abschließend.